Der Cum-Ex-Skandal: vielleicht habt ihr davon schon gehört. Es handelt sich dabei um einen der größte Bankingskandale des modernen Deutschlands. Milliarden von Steuergeldern, die jahrzehntelang in die Taschen der Superreichen flossen und ein riesiges Netz von Politikern, Bänkern und Anwälten, die sich daran entweder selbst bereicherten, oder zumindest die illegalen Geschäfte einfach verdeckten.

Was war überhaupt los?

Mehrere Banker, Top-Anwälte und Steuerberater ließen sich jahrelang Steuern vom Staat erstatten. Das Problem liegt darin, dass sie diese Steuern gar nicht erst bezahlt hatten.

Es geht um mindestens 10 Milliarden Euro, die direkt aus dem Finanzamt und damit den Steuern der Bevölkerung entnommen wurden. Zählt man noch andere, ähnliche Geschäfte wie z.B. Cum-Cum dazu, erreichen die Schäden ein Minimum von 35 Milliarden.

Wie funktioniert das?

Cum-Ex-Geschäfte sind im Grunde genommen Aktiengeschäfte. Ein Anleger zahlt einmalig Steuern, lässt sich diese aber mehrmals zurückerstatten. Händler verschieben untereinander Wertpapiere für Aktien, immer rund um den Stichtag, an dem Dividenden dafür ausgezahlt werden. Dabei sind die Dividenden sind der Gewinn, den Investoren aus Aktien machen.

Der Aktienmarkt (Quelle: Pixabay)

Wenn nun die Dividenden gezahlt werden, kassiert einer dieser Händler das Geld für die jeweilige Aktie. Davon behält das Finanzamt einen Anteil – die Steuern – für sich. Investoren wie Fonds und Banken sind von dieser Regelung aber ausgenommen. Sie können die Steuer also vom Staat zurückfordern. So weit, so legal. Bei den Cum-Ex-Geschäften werden die Steuern dann aber mehrmals, von verschiedenen Akteuren, zurückgefordert. Das macht es schwer für den Staat zu entscheiden, wer überhaupt Anspruch auf diese Rückerstattung hat. Lange konnten die zuständigen Behörden nicht nachvollziehen, wem die Aktien wann gehörten.

Da dieses System über Jahrzehnte so ablief, kostete dieses Schlupfloch dem Finanzamt Milliarden an Euro in Steuergeldern.

Hier ein Beispiel für Cum-Ex

Hier ein einfacheres Beispiel mit nur drei Akteuren: Nehmen wir uns eine beliebige Aktiengesellschafft, nennen wir sie X. Sie steht kurz vor dem Dividendenstichtag. Der Großinvestor A besitzt ein Aktienpaket, dass gerade viel wert ist, weil die Dividende noch eingepreist ist. Die Käuferbank, nennen wir sie B, kauft nun Aktienpakete von X als Leerverkäufe von einem dritten Akteur C (ganz wichtig: Nicht von A!). Soll heißen: C, der Leerverkäufer, hat die Aktien zu diesem Zeitpunkt noch nicht in seinem Besitz.

Am Stichtag kassiert A nun die Dividende, und zahlt darauf 25% Kapitalertragssteuer. Für diese bekommt er eine Bescheinigung. Mit dieser kann er jetzt unter bestimmten Bedingungen diese Steuern zurückfordern – und tut es auch.

Nachdem jetzt die Dividende ausgezahlt wurde, hat die Aktie an Wert verloren. Leerverkäufer C kauft sich nun von Großinvestor A die Aktien, die jetzt ja nun einen geringeren Wert (minus Dividende) haben. C liefert die Aktien dann an B und zahlt ihr wegen des Wertverlusts einen Ausgleich. Diese Entschädigung ist jedoch nicht so viel wert wie die vollkommene Dividende, sondern nur so viel wie die Netto-Dividende (Dividende minus Kapitalertragssteuer). C macht also ein gutes Geschäft.

B muss dennoch keine Verluste beklagen, denn sie bekommt eine Steuerbescheinigung für die vermeintlich abgeführte Kapitalertragssteuer, da sie ursprünglich Aktien der Gesellschaft X gekauft hatte. Das fehlende Geld holt sie sich dann vom Staat durch Rückerstattung.

B verkauft die Aktien wieder an A für den gleichen Preis, zu dem A sie C verkauft hat. B und A können sich die vermeintlich gezahlten Steuern zweimal rückerstatten lassen. Die Erträge davon können sie sich dann durch Provisionen und Beraterhonorare untereinander aufteilen.

Wann war das?

Beweise von Cum-Ex-Geschäften findet man schon in den neunziger Jahren, auch wenn diese Deals damals noch unter das Schlagwort „Dividendenstripping“ fielen. Auf ihren Höhepunkt kamen diese Geschäfte dann in den Jahren 2001 bis 2011. 2012 wurde den Geschäften durch ein Team von Anwälten rund um Frau Brorhilker, die diese Skandale aufdeckten und viele der Verantwortlichen zur Rechenschaft zogen, dann endlich ein Halt gesetzt, 20 Jahre, nachdem zuerst Beweise für diese auftauchten.

Übrigens: Cum-Ex Geschäfte konnten nur so lange laufen, weil immer wieder die Gesetzgebung von Anwälten, Wirtschaftsprüfern u.ä. aufgehalten wurde, die Cum-Ex-Geschäfte als vollkommen legal darstellten. Es gab Gutachten über Gutachten, obwohl die Geschäfte von Anfang an illegal waren. Zudem gab es schon länger Gesetze, die Cum-Ex-Geschäfte verhindern sollten – jedoch nur innerhalb des Landes. Internationale Deals stellten in den Augen der Cum-Ex-Akteure keine Probleme dar und sie machten munter weiter.

Andere ähnliche Geschäftsmodelle liefen weiter und das bis heute. Der NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU), sagte in einem Interview, es gebe starke Verdachtsmomente, dass Cum-Ex nur die „Spitze des Eisbergs“ sei.

Was hat Olaf Scholz jetzt mit Cum-Ex zu tun?

Die Privatbank MM Warburg war eine von vielen Banken, die sich im Cum-Ex Skandal Millionen verdient hatte. 2016 schaltete sich dort das Finanzamt ein, um zu prüfen, ob die Bank die Beute aus Cum-Ex Geschäften zurückzahlen musste. Um einmal zu verdeutlichen, wie viel Geld dies gewesen wäre: Allein für diese Geschäfte aus dem Jahr 2009 hätte die Bank 47 Millionen zahlen müssen. Doch dann, im November 2016, verzichtete das Finanzamt auf diese Millionenzahlung – offiziell wegen juristischer Risiken.

Ein Bild von

Olaf Scholz (Quelle: Pixabay)

Dank Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln kamen später Tagebücher von Christian Olearius, dem Eigentümer der Warburg-Bank ans Licht. In diesen beschreibt der Banker, dass der frühere SPD-Innensenator Alfons Pawelczyk sowie der einflussreiche SPD-Politiker Johannes Kahrs ihm Hilfe versprochen hätten.

Und nun zum Punkt: Olearius traf sich in dem fraglichen Zeitraum drei Mal mit Olaf Scholz. Zu diesem Zeitpunkt war er noch Erster Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, nun ist er Bundeskanzler. Glaubt man Olearius, so ging es um Cum-Ex. Glaubt man Scholz, so kann er sich an diese Treffen nicht erinnern.

Da kann man sich auch fragen: Wie viele solcher Erinnerungslücken dürfen wir uns leisten und gefallen lassen?

Gegen Scholz und den damaligen Finanzsenator und jetzigen Ersten Bürgermeister der Hansestadt Hamburg, Peter Tschentscher wird nicht ermittelt. Wie alle beteiligten Politiker und Finanzbeamten bestreiten sie politische Einflussnahme.

Wieso sollte mich Cum-Ex überhaupt interessieren?

Wie schon erklärt, ist Cum-Ex nicht das einzige illegale Steuergeschäft; viele mehr laufen jetzt gerade ab. Und auch wenn man selbst – so wie ich – noch keine Steuern zahlt, sollte man sich darüber ärgern. Wir sprechen hier von einem offensichtlichen Diebstahl, der sich über Jahrzehnte hin abspielt. Wir sprechen von Milliarden an Steuergeldern, die nicht für ihre eigentlichen Zwecke benutzt werden können und an welchen sich die Superreichen nur noch mehr bereichern.

Und wir sprechen von wichtigen Persönlichkeiten und Politikern bis in die höchsten Kreise der Regierung, die dieses jahrzehntelang verdecken.

0 Kommentare

Hinterlasse einen Kommentar

An der Diskussion beteiligen?
Hinterlasse uns deinen Kommentar!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert