In den Slums der südchinesischen Stadt Kanton, inmitten einer tödlichen Cholera-Epidemie, rettet der mysteriöse Professor Lovell einen sterbenden Jungen durch einen seltsamen magischen Silberbarren. So beginnt Babel, ein Roman von der US-amerikanischen Schriftstellerin Rebecca F. Kuang. Er wurde ursprünglich 2022 auf Englisch veröffentlicht und im Jahr darauf auch auf Deutsch übersetzt.
Robin Swift – der neue Name, den der Waisenjunge auf Geheiß des Professors wählt – kommt im Haus des Professors unter. Dort lernt er Englisch, Altgriechisch und Latein und bereitet sich auf sein kommendes Studium vor. In Oxford lernt er nun in Babel, einem Institut für Übersetzung und die Magie der Silberbarren. Schnell findet er dort Freunde in seinen Kommilitonen und eine Liebe zu Oxford und seinem Studium.
Doch dann entscheidet er sich dazu, sich einer Geheimgesellschaft anzuschließen, die im Geheimen gegen Babel und das Empire agiert. Schnell ist er in ein Netz aus imperialistischen Machenschaften verwebt, die von den höchsten Rängen der britischen Regierung bis hin zu den Ärmsten in seiner ehemaligen Heimat reichen. Und auf einmal sind Gewalt, Revolution und Tod eine Notwendigkeit.
Rebecca Kuang verwebt in diesem Buch Geschichte, Fantasy, Linguistik und zwischenmenschliches Drama zu einer fesselnden Handlung. Zudem ist es eine Kritik des britischen Kolonialismus und Imperialismus – und der Mitschuld akademischer Institutionen darin. Der Roman lässt sich schwer in ein direktes Genre einteilen: Er ist teils Fantasy, teils Historienroman, teils Dark Academia.
Besonders beeindruckend ist die Alltäglichkeit der Magie. Um es kurz zu sagen, hat Silber in dem fiktionalen Universum des Buches magische Eigenschaften im Zusammenhang mit Sprache. Wenn nun in einen Silberbarren ein Wortpaar – zwei Wörter mit ähnlicher, aber nicht gleicher Bedeutung in zwei Sprachen – eingraviert wird, kann dieser aktiviert werden und magische Kräfte entfalten. Durch diese Magie erschafft sich das British Empire einen Vorteil gegenüber anderen Gebieten. Doch trotz der offensichtlichen Magie fühlt sich die Welt des Buches real an – sogar realistischer als in manch anderem Historienroman.
Auch die Charaktere sind lebendig. Sie sind komplex, man kann sie lieben und hassen zugleich. Robin dient während dem Großteil der Handlung als Protagonist und Erzähler. Doch in zwei Zwischenspielen und dem Prolog bekommen auch Robins Kommilitonen Ramy, Letty und Victoire die Chance, ihre Perspektiven und Geschichten zu teilen.
Ein Detail, das störend wirken könnte sind die Fußnoten. Öfters wird die Etymologie eines Wortpaars dort erklärt, oder auch ein Detail zu der Welt. Diese beiläufigen Bemerkungen kommen auch teils im normalen Text vorbei, was manchmal den Lesefluss ein wenig stört.
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